Strafgefangene üben das Vatersein.
Gemeinsam mit Jacobs Foundation, Kroschke Stiftung für Kinder, Preuschhof Stiftung für Kinder und Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur wurde das Modelprojekt „Papa ist auf Montage“ mit insgesamt 92.000 € ermöglicht. Die JVA Bützow in Mecklenburg-Vorpommern will mit diesem auf zwei Jahre angelegten Pilotprojekt neue Wege beschreiten. Die Strafgefangenen sollen sich stärker als Familienväter verstehen. 97 Prozent der in Mecklenburg-Vorpommern Inhaftierten sind Männer. Mehr als die Hälfte von ihnen hat Kinder. Die meisten leben in einer Beziehung. Die Inhaftierung trifft damit oft auch Frauen und Kinder. Die Frauen sind auf einmal auf sich gestellt, die Kinder ohne Väter – und erfahren oft nicht einmal, wo der Vater tatsächlich ist. „Papa ist auf Montage“ – seit den sechziger Jahren ist das eine gängige Formulierung, um die Dinge nicht beim Namen nennen zu müssen.
Die Haft entfremdet Vater und Kind, oft genug aber auch die Partner untereinander. Zwar sind regelmäßige Besuche möglich, aber oft haben die Frauen nicht die Kraft und nicht das Geld, nach Bützow zu fahren. Und wenn die Frauen ihre Männer in der Haft besuchen, bringen sie die Kinder lieber nicht mit. Zu groß ist nicht nur die Lüge, wenn die Kinder nicht wissen, wo der Vater ist. Zu anstrengend ist auch die Prozedur, in das Gefängnis hineinzukommen, und sei es nur bis zum Besucherraum. Immerhin gibt es in Bützow jetzt schon mal dort eine Spielecke.
Die Mitarbeiter der JVA sehen natürlich das Problem. Aber Agnete Mauruschat, seit zehn Jahren Leiterin der Anstalt in Bützow, sagt auch: „Die Stärkung der Rolle des Vaters ist nicht originär Aufgabe des Strafvollzugs.“ Den Kontakt zu seiner Familie muss der Strafgefangene selbst halten. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Gefangene damit ihre Mühe haben. Was ihnen Frau und Kinder bedeuten, werde ihnen oft erst in der Haft richtig bewusst, sagt Frau Mauruschat. Und dann entwickelten sie oft „völlig falsche und realitätsfremde Vorstellungen, welche die Familie als Ganzes während der Haftzeit sowie nach der Haftentlassung zusätzlich belasten“. Frau Mauruschat, ihre Kollegen und viele ehrenamtliche Helfer haben sich dennoch des Themas mit dem Projekt „Papa ist auf Montage“ angenommen.
Zehn Gefangene, die demnächst ihre Haft verbüßt haben, wurden für das Projekt ausgewählt, weitere kommen demnächst hinzu. Wer wollte, konnte sich am Auswahlverfahren beteiligen. Wichtigste Bedingung: Auch die Frauen zu Hause machen mit. Der Vorteil für beide Seiten: Sie können sich häufiger sehen, die Kinder sind dabei. Fahrkosten zu den Familientagen werden vom Projekt getragen. „Oft sind es die Kinder der Strafgefangenen, die dann selbst auf die schiefe Bahn geraten. Wir machen hier den Versuch, den Teufelskreis zu durchbrechen“, sagt Frau Mauruschat. Nach sechs Monaten könnte es ein Familienwochenende auch außerhalb der Justizvollzugsanstalt geben. Die Frauen sollen das dann selbst organisieren. So etwas hat es im Strafvollzug der Bundesrepublik noch nicht gegeben.
Schirmherr ist der Werler Gefängnisarzt Joe Bausch, besser bekannt als der Pathologe im Tatort-Krimi.
Hier zum Artikel:
FAZ_Papa-auf-Montage
Quelle: Pergande, F.: In der Justizvollzugsanstalt Bützow können Strafgefangene jetzt auch das Vatersein üben, in: Frankfurter Allgemeine (30.05.2012)
Foto: Frank Percande